In der Zeit, als das Land noch weithin mit Wild bedeckt war und als die Bewohner noch den Göttern Opfer darbrachten, wohnte in der Steingrotte bei Schwarzfeld eine weise Frau, weißhaarig und betagt. Schon vielen Ratsuchenden hatte sie den rechten Weg gewiesen, und so war sie hoch geachtet. Als nun christliche Missionare ins Land kamen und den alten Götterglauben ins Wanken brachten, hatten sie am Südharz zuerst wenig Erfolg, denn die Leute hörten lieber auf die Worte der weisen Frau als auf die Reden der fremden Männer.
Eines Tages erschienen bewaffnete Krieger des Franken-Königs, die den Auftrag hatten die Hexe, wie sie sagten, zu fangen und fortzuführen. Schon standen sie an dem Fuße des Hügels auf dem die Grotte liegt, und sahen die Alte oben, auf ihren Stock gestützt, stehen. Da kam aus dem Harzwald ein seltsames Tier, groß wie ein Hirsch, aber nur mit einem Horn mitten auf der Stirn. Das kniete vor der Alten nieder, ließ sie aufsitzen und lief mit ihr davon.
Die Krieger nahmen sofort die Verfolgung auf, und der Anführer, ein Mönch in schwarzer Kutte, trieb sie zu größter Eile an. Trotzdem kamen die Gepanzerten in dem wilden Unterholze nur langsam vorwärts. Der Mönch war ihnen weit voraus, sodass er die Flüchtenden immer in Sicht behielt. Die Alte murmelte dunkle Zaubersprüche während das Einhorn mit großen Schritten fast feierlich einherschritt. Schon war der Mönch ihr näher gekommen, da tat sich unter ihm die Erde auf, und er stürzte tief hinab. Als die Krieger nach der Stelle kamen, gähnte ein großes breites Loch in dem Erdboden, aber kein Laut drang heraus.